Dienstag, 3. November 2015

Lebenslang

Wir hatten einen gemeinsamen Termin mit Te und En. Er dauerte etwa ne Stunde. So ganz richtig war mir nicht klar, was Inhalt dieses Termins sein sollte. Es fielen mal Worte wie Rahmenbedingungen, Standortbestimmung, "reden ob wir so auf gutem Weg sind" - wir konnten uns nicht richtig vorbereiten. Allerdings versuchten wir es und dachten daran, dass wir versuchen müssen, darüber zu reden wie unterschiedlich die Realität für uns ist, wenn wir alleine sind und wenn Betreuungstermine sind. Und ob es Wege gibt, das wir das irgendwie annähern können. Uns war aber auch nicht klar, wie wir das Thema angehen können. So waren wir relativ unvorbereitet.

Da jetzt beide zusammen da waren, macht das schon immer was verwirrendes mit uns. Wir können uns nicht Einstellen auf Zwei und wissen meist nicht so richtig wie das geht, dann miteinander zu reden. Wir überlassen das Ruder und gucken wie es sich entwickelt und wie wir einen Platz in der Situation finden.

So auch Heute.
Es sollte um einen Bauplan gehen, wie wir ihn in einem Post nannten. Nur das es dann eigentlich um (Außen-) Aktivitätenplanung ging. Einleitend mit den Worten, dass sie ja keine Therapeutinnen sind und darum bestimmtes nicht geht, wobei natürlich trotzdem immer geredet werden darf, wenn wir das wollen. (?) Im Grunde wissen wir nie was diese Worte bedeuten. Haben wir noch nie verstanden. Wir wissen nicht wo wir da irgendwas trennen müssen und was von uns dann eher nicht Eingegliedert werden soll. (Das ich nicht detailliert über Inhalte von Gewalterlebnissen u.ä. rede, um Traumata aufzuarbeiten ist ja klar.) Ich hasse diesen Satz, weil er eine Grenze macht, die nie wirklich klar ist, die etwas von uns ausschließen soll und wir nicht verstehen was ist ok und was ist zu viel (es verstärkt natürlich auch das, was wir schon selber an einschränkenden und ausschließendem in uns haben)?. Heute hieß er aber, glaub ich, dass sie nicht Mai sind und nicht so arbeiten (können / wollen / werden) Aber auch das ist für mich immer ein großes Fragezeichen. Natürlich geht es um unterschiedliche Personen.
Wir können uns auch nicht vorstellen das Te und En plötzlich wie Mai sind, wäre voll gruselig. Die Unterschiede sind schon seit der ersten Begegnung klar. Für uns geht es auch nicht um Trauern und was damit zusammenhängt (auch wenn das natürlich ein Thema ist). Sondern um "was war hilfreich" und was ist so oder ähnlich weiter integrierbar in der Betreuung. Das geht aber auch nur nach nach, weil wir nicht alles zu jederzeit benennen /erinnern /erklären können und wir brauchen auch oft Zeit in einem Gespräch, um überhaupt dahin zu kommen etwas zu sagen. Müssen oft erst reden, bevor wir was sagen können, oder brauchen Fragen.

Für uns ist da schon die erste Not benannt, die dann auch heute wieder da war und das Denken einschränkt, weil so sehr versucht wird nicht zu weinen.


Dann wurden Aktivitäten aus dem letzten "Hilfeplan"benannt, mit der Frage, ob wir die noch als Ziel haben oder nicht (natürlich nur dann und so umgesetzt wie es geht). Sowas wie Freundinnen besuchen, (alleine) Einkaufen, Spazieren gehen, Arztbesuche, Haushaltsdinge, Kreatives. Ja. Es gibt so vieles was wir gerne täten. So vieles was unsere Vorstellung von Lebenswert prägt. Und wir fallen ins Bodenlose. Wir haben soweit mir bekannt ist, nicht entschieden Dinge nicht mehr tun zu können und wir haben so gar kein Gefühl dafür entscheiden zu können sie wieder zu tun. Und als wir sie noch taten, war unser Leben nicht besser, nur anders schlecht. Die Erfahrungen bewirken, das wir auch nicht glauben, das "es" besser wird, wenn wir nur üben. Manches können wir manchmal tun und dann wieder nicht. Manches machen wir weil es muss und eine gewisse Funktionalität noch da ist. Die meisten Menschen messen Fortschritt an etwas was man sichtbar getan hat. Auch das Amt, braucht solche Ziele um den Hilfeumfang zu bestimmen.
Uns macht das tief verzweifelt.
Wenn wir uns an sowas messen und das tun wir auch, dann sehen wir unser Versagen, unsere extremen Einschränkungen, unser fast nicht vorhandenes Sozialleben, unsere Hilflosigkeit ... - wir hören von verschiedenen Menschen die Fünfzigtausend Vorschläge, die wir tun könnten und doch einfach nur mal ausprobieren könnten und was anderen geholfen hat .... und wenn man wirklich will ... Dazu kommt dann noch das "Dieses und Jenes hast du geschafft, gemacht, entschieden, war doch so gut...." In mir zerbrechen Welten.

Was brauchst du denn? Was kann denn helfen? Wie können wir dir helfen?

Ich weiß auf sowas keine immer gültigen Antworten! Oft weiß ich gar keine Antworten.

Hilfe. Ich brauche Hilfe. Ich  bin überlebensnotwendig auf ambulante Betreuung, therapeutische-, ärztliche-, und finanzielle Hilfe angewiesen. Und ich bin das nicht Freiwillig. Oder vielleicht doch, weil ich könnte mich auch entscheiden zu sterben, aber wir versuchen ja unser Leben zu leben. Bestenfalls wird die Hilfe eines Tages unserem Hilfebedarf gerecht. Bestenfalls brauchen wir diese Hilfen irgendwann nicht mehr überlebensnotwendig.

Wir sind mit En und Te noch in der "sich Kennenlernen-Phase". Vieles wurde schon besprochen. Manches konnten wir sagen und En und Te konnten es verstehen und versuchen es entsprechend umzusetzen. Wir versuchen uns aneinander anzunähern. Beide sind liebe Menschen. Ich versuche vieles zu benennen, aber es ist schwierig für uns. Wir verstehen vielleicht auch nicht, wozu dieser gemeinsame Termin gut war. Die Inhalte waren nicht wirklich fremd und sind auf die ein oder andere Weise schon benannt worden. Inhalte der Betreuung so stark auf Aktivitäten zu reduzieren, war sehr weit entfernt von unserer Lebensrealität. Ich hab einfach mit anderen Inhalten/Fragen gerechnet. Auch wenn zu all dem immer auch gesagt wurde, das nichts muss, alles kann, wir bestimmen/jederzeit stoppen dürfen. Es ging uns während dem Termin sehr schlecht und wir waren in Not. Weil es so krass ist, wenn man so viel Hilfe angeboten kriegt und doch so Hilflos ist. Wenn man nicht gesehen wird, obwohl es nur um einen selber geht.

Wir brauchen oft etwas mehr an Worten. Bei einem Satz wie "Ihr kennt das ja schon" (eigene Suizidalität) brauchen wir dahinter, dass es wichtig ist und aber grad keine Zeit ist da mehr drüber zu reden. Oder das diejenige es grad nicht hören mag oder nicht so wichtig findet darüber zu reden. So klar wäre es für uns viel leichter einzuordnen. Wir wissen tatsächlich nicht was solche Sätze heißen sollen und für uns heißt das, das es nicht wichtig ist und nicht ernst zu nehmen und man wird eher nicht mehr drüber reden.
Oder im Gemeinsamen Gespräch, die Einleitung "Wir wissen ja das es euch nicht gut geht." (hin zu keine Therapeuten sein und Aktivitäten) - auch dahinter kann ein, darum geht es aber nicht, weil wir jetzt anderes besprechen oder was auch immer kommen.
Für uns sind solche Sätze Gleichbedeutend mit "ihr macht es schon ganz richtig, diese dinge, die haben keinen Platz im Leben. Vielleicht ist es sogar ungerecht, das hier so zu schreiben. Ich weiß es grad nicht mehr. Zumal wir ja auch schlicht anders wirken als wie es die meiste Zeit ist. Sicher wäre es deutlicher, könnten wir nicht mehr aufhören zu weinen. Ist aber nicht so, wir passen uns an und es kostet viel Mühe dennoch wenigstens etwas zu sagen und zeigen.

Das ist auch was schwierig ist. die Welten zu verbinden.
Wir sind oft sehr durcheinander und verzweifelt und wünschen uns dann einfach nur Hilfe, die uns hilft Dinge/Situationen /inneres zu ordnen. Überhaupt zu erkennen was grad sein könnte. Aktivitäten, ja klar wär vieles schön, aber wir haben gar nicht die Kraft. Nicht, weil wir spüren das da grad voll die Angst ist raus zu gehen (und wir die nur überwinden müssen), sondern weil so viel ist, dass wir einfach nur ständig überfordert sind. Aktivitäten kommen von alleine, wie in den letzten Wochen die vielen Zahnarztbesuche (die auch wirklich viel Zeit / Kraft in Anspruch nahmen/nehmen).
Dieses Ordnen und Erkennen gehört für uns eigentlich in die Betreuung, weil es dafür niemals genug Raum in einer Therapie geben wird, dafür ist viel zu wenig Zeit (Insofern wir überhaupt je noch mal eine Therapeutin finden die mit uns mag/kann/soll). Denke ich. Es gehört in den Alltag und würde dann ja auch wieder Raum schaffen für anderes. Vielleicht.

Ach, hier steht einfach schon wieder viel zu viel - einfach weil dafür viel zu wenig hier steht. Aber (sterne) es ist ein Anfang und wenn man mehr schreibt / sich mitteilt dann kann das Bild auf dauer Runder werden. Man kann nicht alles schreiben, alternativ Nichts, was auch nicht wirklich hilfreich ist.

Das Problem ist ja, dass wir schlecht aushalten können wenn es keine Hoffnung auf "Besserung" gibt. Hoffnungslosigkeit ist Benzin für nicht mehr Leben können/wollen. Unser Leben existiert eigentlich kaum noch. Während wir kämpfen und schreiben/reden, Therapeutinnen suchen und leidlich den Körper versorgen, ist großes Unverständnis dafür da. Wozu denn noch? Wo kommt denn das her, dass wir immer weiter machen? Immer wieder? Warum kann man nicht einfach alles sein lassen? Es wird nicht so kommen das irgendwas leichter wird. Im Gegenteil. Der Körper wird immer mehr zusätzlichen Stress noch machen. Es wird eher schlimmer werden. Wir glauben eigentlich gar nicht mehr daran, das wir Hilfe finden. Für das was es an Hilfe gibt sind wir nicht geeignet. Wir passen nicht in dieses Leben und wollen/können das anscheinend nicht akzeptieren.

Die Not ist groß und verwirrend. Der Vater sagte immer "wer länger als 5 Minuten Traurig/böse/schwierig ist, ist ein Spielverderber. Spielverderber sein ist nicht gut und es wird sich hier wirklich noch viel Mühe gegeben sich daran zu halten. Dennoch - wir sind die Oberspielverderber. Es dauert einfach schon alles viel zu lange. Lebenslang.